Leute, es ist KALT! >< Mittlerweile ist hier der tiefste Winter, dass bedeutet an guten Tagen tagsüber 15 Grad, nachts um die 5 Grad. An schlechten Tagen bedeutet das tagsüber 6 Grad und nachts 0 Grad -_-… Ohne dicke Sachen geht niemand mehr aus dem Haus. Nur leider wird es dann in der Sonne immer sehr warm :) Manchmal sehe ich in meinem Zimmer morgens meinen Atem. Hätte ich nie gedacht, dass mir das mal in Afrika passiert. Soviel zu den Klischees!
Ansonsten ist jetzt Endspurt. Ich bin noch ca. 4 Wochen hier, davon sind 2 Wochen Urlaub. Die ich auch dringend brauche, da Gilead im Moment noch sehr drunter und drüber geht und es kaum Struktur gibt. Wir haben mittlerweile 8 Bewohner, einige davon sind sehr einfache Persönlichkeiten, andere können sehr schwierig werden. Leider habe ich das Gefühl das die Mitarbeiter nicht genau wissen, wie sie sich in den Arbeits- und Lebensalltag integrieren können, so müssen Sabine und ich in vielen Bereichen sehr viel Verantwortung übernehmen. Das ist auf der einen Seite gut, da wir so das Programm gestalten können, wie wir es für richtig halten. Andererseits entsteht so aber auch ein großer Druck, und ich merke gerade im Moment, dass mich das Jahr mehr mitgenommen hat als ich dachte. Aber ansonsten macht die Arbeit noch Spaß, jeden Morgen gibt es Fitnessprogramm mit anschließender Spiel- und/oder Bastelrunde :) Zwar fehlen noch viele Materialien, aber bis jetzt schlagen wir uns ganz wacker. Ich lerne hier übrigens auch kochen, oh ja! Wenn ich fürs kochen eingeteilt bin, dann muss ich meist für 12 Leute kochen, und es schmeckt meistens. Bis jetzt leben auch noch alle ;) Aber am interessantesten ist immer noch der Umgang mit den verschiedenen Menschen und ihren Erkrankungen. Je nach Stimmung kann die Reaktion auf einen Satz meinerseits von übertrieben freundlich bis zu total angepisst reichen. Es ist fast wie Achterbahnfahren. Ich bin sehr gespannt, wie das Projekt in einem Jahr aussehen wird.
Momentan ist die halbe WG im Urlaub, gerade sind wir nur 5 Leute hier. Das fühlt sich schon ein bisschen einsam an. Allerdings ist es so echt sauberer in der Wohnung :) Wenn ich nach diesem Jahr nicht abgehärtet bin was WGs und Zusammenleben angeht, dann weiß ich auch nicht. Ich kann ja mal aufzählen was ich in diesem Jahr alles gelernt habe bzw. zu was ich mich alles (meiner Meinung nach) qualifiziert habe: Entertainerin (Meisterin der Brettspiele), Erfinderin (Meisterin im Erfinden neuer Brettspiele), Lehrerin (das Beibringen diverser Brettspiele), Ausdauersportlerin in der Disziplin Gehen (eine ¾ Stunde durch die Stadt spazieren ist gar nichts), Mädchen für alles, wahlweise auch Arsch vom Dienst (ohne Worte), Technikerin (kann den Kopierer perfekt bedienen), Maklerin (habe Gilead gefühlten 10000 Menschen gezeigt und erklärt), Köchin (sowohl Arbeit als auch daheim), Putzfrau (dito), Chauffeurin (google-maps ist nicht wirklich up to date, was Einbahnstraßen in Pretoria angeht), Freundin, Trösterin, Zuhörerin. Ich kann jetzt auf der falschen Seite der Straße fahren, Minibusse benutzen, bin fast schon paranoid was Straßen und Wertsachen angeht, finde Kakerlaken in der Küche normal (Kakerlaken die im Kühlschrank oder in der Zeitanzeige der Mikrowelle leben sind aber immer noch ekelig), kann mein Zimmer lange teilen (auch wenn ab und an Mordgelüste unterdrückt werden müssen), kann so angepisst gucken, dass sich kaum jemand mehr traut mich anzusprechen, und eigentlich kann ich noch 1000 andere Sachen. Ach ja, es war schon ein interessantes Jahr :) Was ich aber immer noch nicht kann oder gelernt habe, ist, das Verhalten der meisten männlichen Wesen auf der Straße zu verstehen. Sie nerven mich immer noch, und zwar übelst. Ich mag es immer noch nicht, wenn man mich auf der Straße dumm von der Seite anlabert und ich hasse es, wenn man mich anfasst! Letztens hatten Sabine und ich eine lustige Situation: wir haben ein Auto abgeholt und mussten durch die Stadt fahren. Im Central ist es sowieso immer fast schon Selbstmord, da die Minibusse fahren wie die Bescheuerten und einen in einer Tour schneiden. Wir standen also an der Ampel, neben uns hielt ein Minibus, der Fahrer hat uns gesehen und fing an, uns durch die beiden geschlossenen Fenster hindurch anzumachen. Dann hat er sein Fenster herunter gedreht, damit wir ihn besser verstehen können. Er hat dann die üblichen Argumente gebracht, die, die jede Frau natürlich sofort rumkriegen. Das er noch nie eine weiße Freundin gehabt habe, dass er uns toll fände, ob wir nicht mal mit ihm ausgehen wollten. Bladibla… Irgendwie war es so peinlich und nervig das es schon wieder lustig war. Es gibt ja auch verschiedene Arten von Männern; da wäre zum Beispiel der penetrante Typ, der einem einfach nicht mehr von der Seite weicht und einen die ganze Zeit zutextet mit „Hey Baby“‘s hier und „Come on Sweety“’s da. Den gibt es auch in der faulen Variante (dann brüllt er einem einfach die ganze Zeit irgendetwas hinterher, selbst wenn man schon 10 Meter weit weg ist) und in der schüchternen Variante (der bekommt den Mund erst auf, wenn man schon 2 Meter an ihm vorbei ist, das macht ihn aber nicht weniger penetrant). Ja, dann gibt’s natürlich noch die ganzen älteren Herren, die sich einbilden, dass Geld und dicke Autos über ihr Alter und ihr Aussehen hinwegtäuschen. Und nicht zu vergessen die Polizisten, die ihre Autorität sehr schnell und leicht missbrauchen können. Echt, das ist etwas, was ich auf keinen Fall vermissen werde!
Ich wurde gebeten noch ein wenig zu den xenophobischen Attacken zu schreiben, die 2008 hier in Pretoria und Jo’burg begannen und dann im ganzen Land ausbrachen. Xenophobie bedeutet Fremdenfeindlichkeit, ich weiß nicht, ob darunter auch Rassismus fällt. Bei Südafrika lässt solch ein Thema einen Konflikt zwischen Schwarz und Weiß vermuten, doch in diesem Fall waren es die schwarzen Südafrikaner, die rassistisch und fremdenfeindlich wurden und zwar gegenüber ihren schwarzen Brüdern und Schwestern aus anderen afrikanischen Ländern. Die Aufstände und Attacken begannen, soweit mir bekannt ist, in Soweto, dem größten Township bei Jo’burg. Jahr für Jahr kommen viele Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Ländern nach Südafrika, in der Hoffnung auf einen Job und ein besseres Leben. Viele kommen aus Krisen- und Kriegsgebieten, wie zB dem Kongo, Zentralafrika und Simbabwe. Südafrika ist das reichste und sicherste Land des afrikanischen Kontinents, und dient auch als Zugpferd für die gesamte afrikanische Wirtschaft. Und im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern geht es den meisten Südafrikanern auch gut, obwohl auch hier natürlich immer noch viele schlimme Verhältnisse und Ungerechtigkeiten herrschen. Der Grund für die Aufstände lag wohl darin, dass viele Südafrikaner ihren ausländischen Mitmenschen vorwarfen, die Preise für Arbeit zu drücken und den Südafrikanern so die Jobs wegzunehmen. Es kam zu Ausschreitungen, bei denen auch sogenanntes Necklacing stattfand. Dabei wird dem Opfer ein Gummireifen über den Kopf gezogen und dann angezündet. Mit dieser Methode wurden auch vermeintliche Spione während Apartheidszeiten getötet. Ich habe Bilder und Videos zum Necklacing gesehen und es ist wirklich widerlich! Überhaupt waren die Fotos krass, die ich zu dem Thema in Magazinen und Zeitungen gesehen habe: überfüllte Flüchtlingslager, voll mit Menschen, die aus lauter Furcht vor Brandanschlägen und Morden aus ihren Häusern geflohen waren und sich nicht wieder zurück trauten, Menschen die auf offener Straße beleidigt und verprügelt wurden, während Polizisten daneben standen und nichts gemacht haben, ein Mensch, der auf dem Boden kniet und lichterloh brennt. Hier vielleicht mal ein Ausschnitt aus einer Zeitschrift über Stereotypen:
„Foreigners are the scapegoats for the social ills of South Africa, and harmful stereotypes that many of us adopt just fuel xenophobia further, says Landau. ‘A typical stereotype is that all foreigners are criminals. To some extent the Nigerians have been replaced by the Zimbabweans as the “universal bogeyman” that’s behind crime and other social ills but they’re presumed to be more sophisticated and involved in international drug trafficking and so on. Last year the Metro police in Joburg said that 70% to 75% of housebreaking is done by Zimbabweans – there is no evidence for this! Foreigners are not more likely to be involved in crime than South Africans are. Government officials have even propagated the negative stereotype that foreigners are illegally getting state resources such as housing and social grants – there is also no evidence for this. Of course African foreigners are accused of spreading Aids and other diseases. But HIV/Aids doesn’t discriminate and it certainly doesn’t first ask you which country you’re from. As for the notion that foreigners are “stealing” local women away from local men – women aren’t the property of men, whether local or foreign. Foreigners are purported to be a drain on our economy. Most of the evidence suggests otherwise: on average, foreigners are better educated and more entrepreneurial than locals. In fact, they create jobs for South Africans and could create more jobs if they could get easier access to banking facilities and business licenses. Our future is tied to the African region and the welfare of other Africans. What South Africans must realize too is that other nationalities also employ stereotypes when it comes to us. There is this perception in other African countries that South African men are very violent towards their women, that they don’t look after they children and don’t pay maintenance. It was very difficult for many South Africans travelling in Africa after the May attacks [die fremdenfeindlichen Attacken] because even immigrations officers wanted to know what was wrong with South Africans and why they were “killing their people”.’
Ja, so ist das leider. Ich glaube, die Flüchtlingscamps wurden irgendwann zwangsgeräumt, viele Menschen landeten auf der Straße, das ihre Häuser verbrannt waren. Die Politik hat sich nie wirklich zu diesen Vorfällen geäußert geschweige denn entschuldigt. Mir begegnen fast tagtäglich rassistische Äußerungen und Gedanken jeglicher Art, aber es gibt natürlich (wie immer) auch andere Menschen. Aber es ist schon krass, wenn ich zum Beispiel meinen Kollegen über seine Flucht aus Zimbabwe reden höre und wie unsicher das Land nun sei. Und gerade in diesem Land sollten die Menschen doch eigentlich wissen, was Rassismus anrichten kann, denn die meisten haben das noch am eigenen Leib erfahren. Zum Schluss noch ein Gedicht, das ich sehr schön und zutreffend fand:
I might not be a South African
But I’m black, my skin is the same as yours
My colour is the same as yours
My genes are African, nothing but African
When your leaders were beaten by whites
I was there to shelter them
I offered them food, shelter
Most of all, I offered them protection
I might be a South African.
I can’t speak Zulu, cause I’m Vhenda
I can’t speak Zulu, cause I’m Shangaan
I don’t know what an elbow is in Zulu
As much as you don’t know it in my language
Since when was Zulu the only South African language?
Yes… I’m not from Gauteng
I was not born here, but I’m South African
Where should I go if you beat me?
I’m not beating your father, mother, brother or sister who work at my area in the mines
I’m not calling them makwerekwere though they can’t speak my language
I might be dark in complexion
I might have the foreigners looks
I might have the foreigner’s body structure
Now I am scared to go to the only place that I call home
I’m scared of working down the street without my ID
Whites wanted me to do that centuries ago
Now you, my black brother, are acting white
Why should you black South Africans do this?
What makes you think that you are better than me?
Who told you that I’m responsible for your unemployment?
Who told you that I’m less human?
If I need to go back to Vhenda… let all the Zulus go back to KwaZuluNatal
Let all the Tswanas go back to Botswana
Let all the Sothos go back to Lesotho
Let all the Ndebeles go back to Kwandebele
Let all the Xhosas go back to Eastern Cape
Yes… let all the Swatis go back to Swaziland.
Is this not ignorance?
Your unemployment is your responsibility
Use your intellect
Get up and work
Let education empower you
Seek humanity.
Before 1994 you blamed whites
Now you are blaming me
Who are you going to blame after chasing me away?
Who are you going to blame after killing me?
I’m sorry I was not born here
I’m sorry I can’t speak Zulu
I’m sorry for being too dark for your Joburg
I’m sorry for cleaning the toilets you don’t want to clean
I’m sorry for doing your garden
I’m sorry for repairing your shoes
I’m sorry for protecting your leaders while they were in exile
Yes… what you call exile… is my country
And most of all… I’m sorry for building South African infrastructure
Please, my brother, let there be peace and prosperity amongst African people.
[Written by a teary black African]
Und besser könnte ich auch nicht schließen.
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